_MG_5762Lenja, *2013 in Hamburg (UKE) TGA, VSD, Koronaranomalie, kompensierte Herzinsuffizens, Frühchen

Vorwort

Bevor ich die Geschichte Lenjas erzähle, möchte ich vorwegschicken, welche Freude uns unsere Tochter macht und dass ihr Lachen, ihre Neugier, ihr Wille, da zu sein und die Welt zu entdecken, jede Mühe wert war.

Nach allem, was sie durchgemacht hat, ist Lenja trotzdem ein sehr sonniges Gemüt, lacht viel, ist sehr neugierig, wissbegierig, ein Büchernarr, sehr störrisch, wenn es nicht nach ihrer Nase geht, ein Witzbold, liebt Technik und hat auch Spaß an anderen Kids, bringt uns immer wieder zum lachen und zeigt uns jeden Tag, dass sie bei uns sein will und ein echter Kampfzwerg ist.

Wir lieben sie über alles und hoffen, dass sie keine Op mehr braucht und ein halbwegs normales Leben führen kann.

Die Diagnose

Bereits in der Schwangerschaft wurde bei unserer Tochter Lenja ein komplexer Herzfehler diagnostiziert: eine sogenannte TGA (Transposition der großen Arterien, also ein Vertauschen der Schlagadern der beiden Herzkammern). Niemals werde ich den Tag des Feindiagnostik-Ultraschalls in der 20 SSW vergessen. Auf diese Untersuchung hatten wir uns gefreut, da wir bis dahin keinen Verdacht hatten und mein Mann sie dort das erste Mal sehen würde. Als der Arzt aber anfing, nervös auf seinem Stuhl herumzurutschen und dann herausging, um eine Kollegin zu holen, sahen wir uns an und ahnten, dass etwas nicht stimmt. Irgendwann zwischendurch ließ der Arzt mal fallen, dass es ein Mädchen wird. Diese Nachricht ging unter.

Die Diagnose traf uns wie ein Schlag, und ab da war es vorbei mit einer schönen Schwangerschaft. Sie war geprägt von Angst, vielen Tränen, ständigen Arztterminen, unzähligen Ultraschalluntersuchungen, Blutungen, vorzeitigen Wehen, kurz: geprägt von allem, was man nicht braucht, wenn man sich auf ein Kind freut. Besonders nach einer alten Diagnose, dass man eigentlich keine Kinder haben kann.

Es folgten Fragen der Ärzte nach Fruchtwasseruntersuchungen, genetischen Fehlern, Abtreibung, Prozentzahlen der Kids die es bis ins Erwachsenenalter schaffen. Es wurde uns aber auch Mut gemacht und wir wurden bestärkt, wie wichtig es ist, unser Wissen zu nutzen, um die richtige Klinik auszusuchen und alles vorzubereiten, um ein Überleben zu ermöglichen. Wäre sie ohne das Wissen um den Herzfehler so früh in unserem Landeskrankenhaus geboren, wäre sie sicher nicht mehr bei uns. So konnten wir uns auf das Team des UKE Hamburg vorbereiten und sie sich auf uns.

Die Geburt

Stichtag für die Geburt war der 27.09.2013. Lenja kam allerdings bereits am 20. August 2013 zur Welt, nach nur 4 Stunden Wehen. Sie pickerte sich mit ihrer Ferse, die stets in Richtung meiner Niere ausgestreckt war, durch die Fruchtblase, und es gab kein Zurück mehr.

Durch die Frühgeburt und einen Wachstumsrückgang, sowie durch meine Schwangerschaftsvergiftung wog sie bei der Geburt nur 1580 Gramm bei einer Größe von 39 cm. Die Kombination des Herzfehlers mit der Frühgeburt war eine denkbar ungünstige Kombination, da so nicht zeitnah operiert werden konnte, wie sonst bei diesem Herzfehler üblich.

Frühchenintensivstation

Sie wurde nach 30 Sekunden auf meinem Bauch nach einer natürlichen schnellen Geburt zu den Kinderärzten gebracht und ich sollte sie erst viele Stunden später auf der Frühchenintensivstation wieder sehen, gestützt auf einen Klostuhl, da kein Rollstuhl frei war. Da lag sie im Inkubator, beatmet und sooo klein. Die nächsten drei Tage habe ich durchgeweint und bin bis auf ein paar Stunden Liegen nicht von ihrer Seite gewichen. Die Atmung besserte sich und sie wurde den ersten Schlauch los. Leider war sie zu schwach zum Trinken und bekam meine ausgestrichene, später abgepumpte Muttermilch über eine Magensonde. Wir dürften endlich känguruhen, auch stundenlang.

Kinderherzintensivstation

Nach 2 1/2 Wochen auf der Frühchenintensiv und inzwischen im Wärmebettchen ging es auf die Kinderherz-Intensivstation. Leider konnte ich Lenja beim Umzug nicht begleiten, da ausgerechnet an diesem Nachmittag noch ein Termin bei Lenjas zukünftigen Kinderkardiologen zu Hause stattfand.

In der Nacht suchte ich meine Tochter und wurde mit der im Vergleich zu der Frühchenintensivstation nicht mehr ganz so heimeligen Kinderherzintensivstation bekannt. Wieder langes Weinen, um den Schock zu verdauen. Die nächsten Tage liefen ganz gut und ich konnte sie selber versorgen und waschen.

Herzkatheter

Dann wieder ein neuer Schock: Lenjas Zustand des Herzens und der Blutwerte verschlechterte sich dramatisch und mir blieb nur noch, die Unterlagen für die Notherzkatheter -Op zu unterschreiben und zu beten.

Unsere Kampfmaus schaffte es nach 6 Stunden langem Kampf des Herzkatheteroberarztes Dr. Müller, der das sogenannte Rashkind-Manöver durchführte. Dabei wurde mit dem Katheter mit einem Ballon die Öffnung zwischen den Vorhöfen wieder geöffnet.

In diesen Stunden hatte ich Unterstützung durch unsere Stations-Anne und die Psychologin Frau Thomsen. Ich weiß nicht, wie ich die Zeit ohne sie überstanden hätte.

Leider sollte Lenja den Beatmungsschlauch bis zum Op-Termin 3 Wochen später und noch zwei Wochen nach der Op nicht mehr loswerden. Sie hasste es, stemmte sich gegen die Beatmung und musste mit Medikamenten ruhig gestellt werden. Das war sehr hart mit anzusehen und trifft mich noch heute. Diese Zeit auf der Intensivstation war aber unumgänglich, damit Lenja die nötige Gewebsreife und ein ausreichendes Gewicht für die eigentliche OP erreichen konnte.

Einen Tag vor Lenjas Op erhielten wir die erlösende Nachricht, dass nun ein Zimmer im Ronald Mc Donald-Haus Eppendorf frei ist. Wir zogen noch am Nachmittag mit einem Taxiumzug um und ein. Endlich konnten mein Mann und ich zusammen in der  Nähe ein unserer Kämpferin sein. Sein Pendeln zwischen Arbeit, Uke und zu Hause verschlang bis dahin täglich 4 1/2 Stunden am Tag, Zeit, die fehlte.

Dann kam der große Tag, den wir heute noch feiern, Lenjas Herzgeburtstag. Der Tag, an dem ihr das Leben zum zweiten Mal geschenkt wurde.

Die OP

Am OP Termin  hatte Lenja dann ein Gewicht von 2400 Gramm erreicht. Während der OP ergaben sich Komplikationen: es wurde festgestellt, dass Lenja eine seltene Anomalie der Herzkranzgefäße hat: normalerweise haben Menschen zwei Herzkranzgefäße; Lenja hat jedoch nur ein einziges, welches auch noch kompliziert in der Wand der Hauptschlagader (Aorta) verlief. Dieser Umstand machte den Verlauf der Operation deutlich komplizierter und verlängerte die bangen Stunden von 4 auf 8, da dieses eine Gefäß nun äußerst kompliziert frei- und umgelegt werden musste; zudem solcherart, dass einige unvermeidliche Knickstellen entstanden sind, die zukünftig ein erhöhtes Risiko für Durchblutungsstörungen des Herzmuskels (z.B. Herzinfarkt) darstellen.

Nach der OP

Nach der OP ergaben sich mehrere Probleme: zum einen lief das Herz vor der OP ca. 6 Wochen falsch herum, d.h., dass die linke Herzseite, die normalerweise den Körper versorgt, während dieser Zeit nur die Lunge versorgen musste und so unterfordert war: dies resultierte in einer Rückbildung der Muskulatur der linken Herzseite, also in einer linksseitigen Herzinsuffizienz.

Das zweite Problem ist in dem für zu lange Zeit zu schlecht durchbluteten Herzmuskel begründet: der Herzmuskel wurde hierdurch nachhaltig und dauerhaft geschädigt.

In Kombination besteht also eine chronische linksseitige Herzinsuffizienz: das Herz pumpt ungleichmäßig, die Herzwände sind verdickt, das Herz vergrößert. Dies wird seit der OP mit verschiedenen Medikamenten behandelt. Zuerst vier Mal täglich eine Medikamentengabe, auch nachts über ein Jahr lang. Inzwischen konnten die Medikamente auf 1x tgl morgens geändert werden.

Als drittes Problem blieb Lenja als OP-Komplikation ein Chylothorax nicht erspart und wurde in Folge dessen eine Woche nach der OP zuerst auf Nulldiät und später auf die fettfreie Spezialnahrung Monogen umgestellt, die zunächst über Magensonde gegeben wurde. Letztendlich machte Lenja aber klar, dass sie keine Sonde mehr wollte: sie entwickelte diverse selbstentwickelte Techniken des Sonde-heraus-würgens oder Heraus-Ziehens und schaffte es noch auf der Normalstation, die benötigten Mengen aus der Flasche zu trinken. So konnten wir ohne Sonde nach Hause gehen. Aber das sollte noch dauern.

Wir dürften nach insgesamt 8 Wochen die Intensivstation verlassen und noch 3 Wochen auf der Kinderherz-Normalstation verbringen. Dort erholte sie sich von der Op und es war schon weniger laut und mehr als Mama fühlen, als auf der Intensivstation.

Auch hier kämpften wir eine Woche lang mit für Lenja untypischem Dauerweinen mit dem Entzug von ihren vielen schweren Schmerz- und Betäubungsmedikamenten. Zum 01.11.13 dürften wir endlich nach Hause und ein bisschen Familie sein, auch wenn es mit einem so kranken Baby noch sehr viel anstrengender war, als normal.

Zu Hause: leben mit einem Herzkind

Trotz der Medikation war Lenjas Herz deutlich weniger leistungsfähig als bei normal entwickelten Babys ihres Alters. Dies resultierte darin, dass sie wenig bis keine Reserven hatte: im Alltag bedeutete dies, dass sie z.B. nicht dauerhaft schreien dürfte, so dass eine ständige Beobachtung, auch Nachts, in besonderem Maße erforderlich war. Zusätzlich war ein Verhindern von Infekten unabdingbar: diese konnten durch das geschwächte Herz lebensbedrohlich sein und hätten auch einen sofortigen stationären Klinikaufenthalt zur Folge gehabt. Somit hatten wir die gesellschaftlichen Kontakte auf ein Minimum reduziert. Von der Teilhabe an Krabbelgruppen und Babyschwimmen wurde uns von ärztlicher Seite abgeraten um gesundheitliche Zusatzschäden und Ansteckung zu vermeiden. Wir hielten uns daran, aber das Sozialleben brach erstmal zusammen.

Inzwischen hat sich das Herz sehr gut stabilisiert und ist mit den Medikamenten gut eingestellt. Die Herzinsuffizenz ist inzwischen nach drei Jahren kompensiert, wird jedoch vorsorglich noch mit Medikamenten behandelt. Die Bewältigung von Infekten dauert länger als bei normalen Kindern.

Die Spezialernährung wurde dann erst im Dezember 2014 wieder auf normale Ernährung zurückgeführt. Zwischenzeitlich hatte ich leider keine Muttermilch mehr und wir mussten auf Kunstmilch umsteigen.

Fütter-Esstörung

Des weiteren zeigt sich die Herzinsuffizienz in Kombination mit ihrer Frühgeburtlichkeit in einer ausgeprägten Trinkschwäche und Essstörung, so dass wir ständig mit Trinken und Essen kämpfen. Im April 2015 waren wir aber sehr erfolgreich bei einer 4 wöchigen stationären Esstherapie.
Dort wurde sie auch auf eine hochkalorische Trinknahrung umgestellt, um durch mehr Kalorien und Nährstoffe, die geringen Essmengen zu kompensieren und langsam an ein normales Maß und Verhältnis zum Essen und dessen unterschiedliche Konsistenzen zu gewöhnen. Es ist ein langer Weg, aber sie geht ihn inzwischen mit Freude und wir versuchen, sie so gut es geht dabei zu unterstützen.

Falls jemand dazu nähere Informationen möchte, kontaktieren Sie bitte den Verein.

Motorik

Als zusätzliche Folge der Frühgeburtlichkeit, des langen Klinikaufenthaltes, der Herz-OP sowie der Leistungseinschränkung des Herzens zeigte sich bei Lenja eine Entwicklungsverzögerung mit Störungen der körperlichen Wahrnehmung und Motorik. Sie bekommt seit Geburt Physiotherapie und seit August 2014 Frühförderung. Erst seit November 2014 mit zunehmender Kompensation der Herzinsuffizens ist Lenjas motorischer Knoten geplatzt und sie macht enorme Fortschritte vom einseitigen Robben zum, Krabbeln, stehen und hochziehen und nun (seit Juni 2015) entdeckt sie laufend und springend ihre Welt mit immer neugierigen Augen.

Herz-Kinder-Hilfe Hamburg e.V.

Wir nahmen schon in der Schwangerschaft Kontakt zur Herz-Kinder-Hilfe Hamburg e.V. auf, um Unterstützung und Informationen zu erhalten.

Wir fühlen uns gut aufgenommen im Verein und engagieren uns ehrenamtlich, seit Juni 2015 im Vorstand.

Bei einem von den JEMAHs und der Herz-Kinder-Hilfe Hamburg e.V. veranstalteten Vortrag unseres Chirurgen konnten wir ihn schon vor Lenjas Geburt kennenlernen und hatten so ein Gutes Gefühl, unser Kind in die richtigen Hände zu geben. Vielen Dank, dass das möglich war!

Ein herzlicher Dank geht auch an das Ärzte- und Pflegeteam des UKE!